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An einem spätsommerlichen Nachmittag im September öffnen wir eine kleine knarzende Gartenpforte und folgen einem wunderschönen Weg, der uns mit Grün umhüllt. Da wo der Weg endet, gelangen wir zu dem Garten von Sophie und ihrer Familie.
Wir fühlen uns ein wenig wie in einem etwas verwunschenen Abenteuergarten. Von dem Baumhaus aus hat man einen weiten Blick über Wälder, als wäre man an einem Ort am Ende der Welt. Ein fröhliches Wuff Wuff empfängt uns – der knuffige Hund von Sophie trottet uns entgegen.
Wir sind etwas aufgeregt und verlegen zugleich. Sophie merkt das sofort und bietet uns ein Gläschen Weißwein zur Begrüßung an, was gleich alles auflockert. Das ist eben Sophie, ein Mensch mit einem ganz feinen Gespür für die Gefühle anderer, immer bemüht zu helfen und beizustehen.
Da verwundert es auch gar nicht, dass sie den Beruf der Krankenpflegerin gewählt hat. „Deshalb wusste ich ganz genau, was diese Diagnose bedeutet und habe mir da auch keine Illusionen gemacht“, erklärt Sophie sachlich.
Das Gespräch plätschert so vor sich hin und da ist sie plötzlich, die Sache mit der Diagnose: Sie lautet fortgeschrittener Brustkrebs mit Metastasen in der Lunge. Nach erfolgreicher Chemotherapie und Brust-OP kam bald der Schock: Rezidiv in Brust und Lymphknoten – der Krebs war also zurück. Nach erneuter OP steht fest, die Metastasen in der Lunge sind noch da und gehen wohl nicht mehr weg.
Palliativ-Patientin seit einem Jahr.
Das bedeutet, dass es keine Aussicht auf Heilung mehr gibt und nur noch eine möglichst lange und gute Lebensqualität, ohne Schmerzen für die verbleibende Lebenszeit gewährleistet werden soll.
Man sieht in dieses lächelnde, vollkommen gesund aussehende Gesicht und muss schlucken. Nichts dergleichen ist diesem Menschen äußerlich anzusehen. Sophie nippt gelassen schmunzelnd an ihrem Weißwein.
Wie man mit diesem Schicksalsschlag zurecht kommt? Reden, erklären, verstehen ...
Sophie tut alles, um ihren Kindern begreiflich zu machen, was mit ihr passiert. Vor allem, um ihnen Ängste zu nehmen.
Der Krebs ist nichts Böses, kein Monster oder sowas, er ist einfach da und hat auch Auswirkungen, erzählt sie. Regelmäßig sind die Kinder bei einer Psychologin. Von ihr hat Sophie ein spezielles, kindgerechtes Buch erhalten, mit dessen Hilfe sie dieses Thema ausführlich mit ihren Kindern besprechen kann.
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Außerdem erhält sie sehr viel Unterstützung von Familie und Freunden, aber auch von dem so genannten Notmütterdienst. Das sind Frauen, die regelmäßig vorbei kommen und sich um Sophie's Haushalt kümmern, kochen, mit ihren Kindern Hausaufgaben machen oder mit ihnen spielen.
Freiheit ist, da wirken zu können, wo es auch was nützt...
Auf die Frage, was Freiheit für sie bedeutet, muss die Mutter von vier Kindern im Alter von 14, 9, 6 und 4 Jahren nicht lange überlegen. Sie erzählt, dass als sie ihrem Mann am Telefon von ihrer Diagnose erzählt hat, auch gleich etwas Positives gefunden hat. Nämlich, dass sie nicht mehr arbeiten muss.
Sophie, die ein sehr sozialer Mensch ist und ihren Beruf - so wie er mal gedacht war - sehr liebt, konnte aufgrund des schon viele Jahre andauernden Pflegenotstands ihren Patienten schon lange nicht mehr die Fürsorge und Begleitung geben, für die sie diesen Beruf eigentlich gelernt hat.
Nun kann sie sich die Freiheit herausnehmen sich, so wie sie es für angemessen hält, ehrenamtlich um zwei psychisch kranke WG-Mitbewohner zu kümmern.
... oder einfach mal im Garten zu zelten.
Wir äußern den Verdacht, dass Sophie schon immer ein freiheitsliebender Mensch war. Da lacht sie und ihre Augen leuchten.
Erwischt!
Sie erzählt uns, dass sie es sehr genießt, unbeschwerte Zeit mit ihrer Familie zu verbringen ohne diesen ständigen Alltagsdruck. Spontane Ausflüge, Zusammenkünfte mit Freunden oder einfach mal im Garten zelten gehören zu den schönen Seiten dieses „Aussteigerlebens“, wie sie es nennt. Gespart wird da nix. Alles was geht, wird für eine möglichst vergnügliche Zeit ausgegeben.
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Aber auch im Umgang mit Menschen fühlt sie sich freier seit ihrer Diagnose. Sie nimmt kein Blatt mehr vor den Mund und sagt offen aus dem Bauch heraus, was sie denkt. Sophie erklärt es damit, dass sie sich nun erlauben kann, ganz sie selbst zu sein und keinem mehr gefallen muss. Natürlich möchte sie niemanden verletzen und entschuldigt sich brav, wenn sie sich mal vergaloppiert mit ihrer Ehrlichkeit.
Man muss sich trauen, Neues zu wagen.
Es gibt Menschen, die sind sehr festgefahren in dem System, in dem sie leben. Sie wünschen sich eigentlich auszubrechen, sich loszureißen und mal rumzutoben, irgendwie wild und frei zu sein, erklärt Sophie.
Diesen Leuten rät sie - unabhängig davon, ob sie gesund oder in einer ähnlichen Situation wie sie sind - sich zu trauen und einfach mehr Dinge zu tun, die sie glücklich machen. Kurzum: scheinbare Verpflichtungen oder Meinungen anderer bei Seite zu lassen.
Aber Sophie weiß auch, dass die Einbettung in ein “System“, wie sie es nennt, viel Struktur und Halt geben kann. Etwas, das viele Menschen gerade in schwierigen Lebenssituationen brauchen, um irgendwie zurechtzukommen.
Es ist nicht leicht, sich seiner Endlichkeit zu stellen, es bedeutet ein Stück loslassen zu können, das fällt einigen schwerer als anderen.
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In der Gemeinschaft liegt die Kraft
Gegen Ende unseres Gesprächs wollen wir von Sophie wissen, woher sie diese Kraft und Coolness nimmt. Sie erklärt uns, dass man sich konsequent auf die positiven Dinge - die Sachen, die einem gut tun - konzentrieren sollte.
Und was einem nicht gut tut - das können auch Menschen sein, mit denen man einfach nicht mehr auf einen grünen Zweig kommen wird - müsse man aus seinem Leben verbannen.
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Sophie erfreut uns wieder mit ihrem bezaubernden Lächeln und berichtet, dass es einfach sehr viele tolle Menschen in ihrem Leben gibt, die ihr unheimlich viel geben.
Sie erzählt: „Es heißt, man kann nur wenige richtige Freunde haben. Aber ich glaube das stimmt nicht. Man kann viele gute Freunde haben.“ Das schafft viel Geborgenheit und Lebensfreude sowie das gute Gefühl, dass ihre Familie gut aufgefangen werden wird.
Auch wir sind Teil einer Community
Wir sind Sophie sehr dankbar, weil ihre Bekanntschaft uns einiges über uns selbst gelehrt hat und uns noch mal vor Augen geführt hat, was wirklich wichtig ist.
Zum einen, dass es wichtig ist eine positive Einstellung zu haben, ohne die Augen davor zu verschließen, dass es auch sehr negative Dinge gibt.
Dass es wichtig ist, sich zu engagieren, für andere da zu sein, dem anderen zuzuhören und, dass es einem sehr viel gibt auch etwas zurückzugeben.
Dass Respekt und Toleranz nicht nur innerhalb einer Community essenziell, sondern ein unverzichtbares Allgemeingut in unserer Gesellschaft sein müssen.
Als Teil unserer Kildwick-Community haben wir für Sophie gespendet. Wer das auch tun möchte, kann es unter folgendem Link tun: https://www.gofundme.com/f/hilfe-fr-sophie-mama-von-4-kleinen-kindern?utm_campaign=p_lico+share-sheet&utm_medium=copy_link&utm_source=customer
Inspiriere die Kildwick-Community auch mit deiner Geschichte
Wir sehen uns als Teil einer Gemeinschaft, die ihr Augenmerk sowohl auf unsere Umwelt, als auch auf die Menschen richten sollte. Denn ihr seid es, die uns bereichern mit eurem Lächeln, den Erfahrungen, die ihr macht, den Abenteuern, die ihr erlebt.
Welcher Art auch immer eure Geschichte ist - ob lustig, abenteuerlich, traurig oder bewegend - sie ist es wert, erzählt zu werden. Wie die Geschichte von Sophie, die ihr in voller Länge in unserem Youtube-Video sehen könnt.
Erzählt uns über hello@kildwick.com was Euch bewegt, was Ihr erlebt habt, welchen Weg ihr zu eurer ganz persönlichen Freiheit eingeschlagen habt.
Wir freuen uns darauf, euch kennen zu lernen, mehr über euch zu erfahren und allen Kildwick Friends of Freedom daran teilhaben zu lassen!